Fortgeschrittener Brustkrebs Seht die Signale!

Autor: Heiko Schwöbel

In der Studie beobachten und beschreiben die Teilnehmerinnen ihren Gesundheitszustand in einer App selbst. © fizkes – stock.adobe.com

Studien zeigen immer wieder, dass Brustkrebspatientinnen von einer engmaschigeren und damit womöglich effektiveren Betreuung profitieren. Ihr Gesamtüberleben und ihre Lebensqualität können steigen – ohne ein Plus an Medikamenten oder Klinikaufenthalten. An der Charité – Universitätsmedizin Berlin untersucht man diese Effekte nun für Deutschland. Dabei spielen auch Einschätzungen von Betroffenen eine größere Rolle.

Fortgeschrittener Brustkrebs wird in Deutschland meist in spezialisierten Brustkrebszentren oder in onkologischen Schwerpunktpraxen behandelt. Die hohe Qualität und internationale Anerkennung der Therapien hier beruht auf der guten Ausbildung und Erfahrung der Spezialisten, die sich an den bewährten Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften orientieren. „Im Ergebnis sehen wir einen sehr effektiven Kampf gegen den Krebs, der die objektivierbaren Werte genau im Blick hat“, sagt Dr. ­Maria ­Margarete ­Karsten, Leitende Oberärztin des Brustzentrums Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Diese Werte bestimmen bisher fast ausschließlich den Rhythmus und die Intensität der Betreuung.“

Signale der Betroffenen berücksichtigen

Dabei bleibt eine gewisse Unsicherheit, ob Signale der Patientinnen übersehen werden, die für den Rhythmus und die Intensität der Betreuung und damit für den Behandlungserfolg von Bedeutung sind. „In diesem Zusammenhang haben wir uns die Frage gestellt: Welche Signale könnten es sein, wie können wir diese erfassen und welchen Nutzen können ein anderer Rhythmus und die Intensität der Betreuung entfalten?“, so Dr. Karsten.

Denn eine intensivere Betreuung verbessert die Behandlung nicht zwangsläufig. „Dieser Zusammenhang muss genau untersucht werden. Denn wir sind auf der Suche nach der richtigen Betreuungsintensität und nach dem richtigen Interventionszeitpunkt. Das hilft den Patientinnen und spart eventuell zusätzlich Geld, ohne die Frauen zu belasten.“

Gelingt es, den richtigen Zeitpunkt und die richtige Intensität zu treffen, heißt das für Patientinnen, deren Gesundheits- und Gemütszustand gegenwärtig stabil ist, dass sie weiter in der bewährten Art und Weise behandelt werden können. Sie würden von einer zusätzlichen Betreuung nicht profitieren. Zudem würde dies nur unnötige Kosten verursachen. Im Umkehrschluss können Frauen, deren Zustand sich verschlechtert, rascher erkannt und kurzfristig intensiver oder anders betreut werden. „Unsere Studie konzentriert sich dabei genau darauf, die Verschlechterung zu erkennen, um damit schnell Interventionen zu ermöglichen“, sagt Dr. Karsten.

Ein besonderes Konzept

Im Rahmen der Charité-Studie PRO B beantwortet deshalb ein Teil der Patientinnen wöchentlich Fragen zu ihrem körperlichen und mentalen Wohlbefinden mit einer App auf dem Smartphone. Die Informationen werden ausgewertet und an das Behandlungsteam der Teilnehmenden weitergeleitet. Zeichnet sich aus den Antworten eine Verschlechterung des Gesundheitszustands ab, werden die Patientinnen innerhalb von ein bis zwei Tagen von ihrer betreuenden Klinik oder Praxis kontaktiert und mögliche Behandlungen eingeleitet. „Das Besondere dieser Methode ist, dass die Betroffenen selbst ihre Gesundheit beobachten und beschreiben“, betont Dr. Karsten. „Die Informationen sind frei von lenkenden Fragen des Ärzteteams – unabhängig von Diagnosen – und werden ohne Zeitdruck des klinischen Alltags erfasst. Die Behandelnden können somit ganz nah an ihre Patientinnen heranrücken.“

Der andere Teil der Studienteilnehmerinnen wird quartalsweise befragt und wie bisher entsprechend der Leitlinien behandelt. Zum Studienabschluss werden beide Gruppen unter anderem hinsichtlich des Verlaufs der Lebensqualität und des Gesundheitszustandes verglichen.

Teilnahme an Studie noch möglich

Etwa 70 Brustkrebszentren, Kliniken und onkologische Praxen beteiligen sich bereits an der Studie und nehmen gerne neue Patientinnen in die Studie auf. „Frauen mit metastasiertem Brustkrebs können unter pro-b-projekt.de weitere Informationen zur Studie nachlesen. Oder sie fragen einfach bei ihrem Ärzteteam nach der Studie und regen ihre Teilnahme an“, ermutigt Dr. ­Karsten. „Wir sind als Forschende davon überzeugt, dass positive Effekte dieses neuen Wegs in der Versorgung bei metastasiertem Brustkrebs vorhanden sind und durch die Studie hinsichtlich Güte und Menge auch nachgewiesen werden können. Somit profitiert schon jetzt ein Teil der Teilnehmerinnen von frühen Interventionen und deren positiven Effekten auf die Lebensqualität und -dauer.“


Dr. Maria Margarete Karsten Dr. Maria Margarete Karsten, Leitende Oberärztin am Brustkrebszentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin