Blasenkrebs Neue Medikamente, neue Erfolge: Ein Meilenstein ist erreicht 

Autor: MPL-Redaktion

Neue Medikamente geben bei Blasenkrebs neue Hoffnungen. © iStock/gece33

Seit diesem Jahr stehen neue Medikamente gegen den Harnblasenkrebs zur Verfügung. Sie kommen zum Einsatz, wenn der Krebs wieder aufflammt oder sich weiter ausgebreitet hat.

Die Behandlung von Harnblasenkrebs hängt ganz wesentlich von dem Stadium der Erkrankung und von der Art des Krebses ab. Grob werden drei Stadien unterschieden. Im frühen Stadium ist der Tumor lediglich auf beziehungsweise in der inneren Schleimhaut gewachsen. Fachleute sprechen dann von einem sogenannten nicht-muskelinvasiven Harnblasentumor. Dieser wird meist mit einer Elektroschlinge während einer Operation entfernt. Dabei werden die Instrumente durch den Harnleiter in die Blase eingeführt. Deshalb heißen diese Operationen „transurethrale Resektionen“ (TUR) .

Was bei fortgeschrittenem Krebs hilft

Ist der Tumor bereits in das Muskelgewebe der Harnblase eingedrungen, sprechen die Mediziner von einem sogenannten muskelinvasiven Harnblasentumor. In diesen Fällen muss die Blase in der Regel meist operativ entfernt werden. Je nach Konstitution und Gesamtzustand der Patienten kann eine künstliche Harnblase aus Darmelementen geformt werden.

Dieser neue Blasenersatz kann an die bestehende Harnröhre für eine natürliche Harnentleerung oder aber auch über die Bauchdecke abgeleitet werden. Chemotherapien vor oder nach der Operation können besser verhindern, dass der Krebs wieder aufkeimen kann. In bestimmten Fällen kann die Blase erhalten bleiben. Wird dieser Weg gewählt, soll der Krebs mit einer Kombination aus ausgedehnter transurethraler Resektion („innere Blasenteilentfernung“) sowie Chemo- und Strahlentherapie gebändigt werden.

Was tun, wenn andere Organe betroffen sind?

Wenn der Krebs über die Blase hinaus in die Beckenorgane oder sogar in die Bauchwand gewachsen ist oder bereits Metastasen vorhanden sind, wird versucht, den Krebs mit Chemotherapien aufzuhalten. „Mit den bisherigen Medikamenten gelingt dies allerdings nicht immer gut“, sagt Professor Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Urologischen Universitätsklinik in Tübingen. „Und die Nebenwirkungen sind für die Patienten meist belastend.“ Häufig werden die Nerven, das Gehör, die Nieren und die Magen-Darm-Schleimhaut von den Medikamenten in Mitleidenschaft gezogen.

Jetzt ein echter Durchbruch

Seit über 30 Jahren ist das Behandlungsregime bei Harnblasenkrebs im Wesentlichen unverändert geblieben. Lediglich die Operationstechniken und Geräte wurden ständig verfeinert und verbessert. Fortschritte bei der medikamentösen Behandlung konnten bislang nicht gemacht werden. „Dafür ist der Medizin im vergangenen Jahr ein echter Durchbruch bei der Behandlung von Harnblasentumoren gelungen“, betont Prof. Stenzl.

Informationen zu laufenden Studien in Deutschland und in Europa über:

Deutsches Register Klinischer Studien (DRKS). Das Register ist nicht krebsspezifisch.

Das europäische Register für klinische Untersuchungen bietet einen Zugang zu Studien, die in der EU-Datenbank EudraCT eingetragen sind (European Union Drug Regulating Authorities Clinical Trials).

Studienzentrum Urologische Universitätsklinik Tübingen:

„Seit September 2017 stehen uns drei vielversprechende Medikamente zur Verfügung.“ Derzeit sind diese Medikamente als sogenannte Zweitlinientherapien zugelassen. Das heißt, sie kommen dann zum Einsatz, wenn die erste Behandlung fehlgeschlagen, nicht ausreichend erfolgreich ist oder die Patienten die Chemotherapie aufgrund ihres Alters bzw. wegen einer Begleiterkrankung verbunden mit einer Organschwäche nicht bekommen können.

„Mit diesen neuen Medikamenten schaffen wir es, dass die Patienten länger und besser leben können“, sagt Prof. Stenzl. „Das Besondere dieser Medikamente ist, dass diese sogenannten Immuncheckpoint-Inhibitoren das Immunsystem mobilisieren, aktiv gegen den Krebs zu kämpfen. Sie können z.B. auch dann verabreicht werden, wenn die Nieren oder das Nervensystem nicht mehr vollständig funktionieren.“

Mit Medikamenten Blockade lösen

Unser Immunsystem ist ständig auf der Suche nach entarteten Zellen. Werden solche Zellen gefunden, werden sie normalerweise zerstört. Das heißt, dass das Immunsystem zwischen gesunden und entarteten Zellen gut unterscheiden können muss. Würde es zu empfindlich reagieren, könnte es auch gesunde Zellen zerstören. Reagiert es zu schwach, würden zu viele entartete Zellen im Körper verbleiben. Damit diese Balance gehalten werden kann, müssen die Immunzellen also ständig Signale zum Angriff und zum Stillhalten bekommen. Dafür tragen sie sogenannte Antennen oder Rezeptoren auf ihrer Oberfläche. Mit ihnen können sie diese Signale auffangen und an das Zellinnere weitergeben.

Wissenschaftler nennen diese Rezeptoren „Immuncheckpoints“. Sind bestimmte Checkpoints besetzt, wird die Immunzelle stillhalten und die entartete Zelle nicht attackieren. Genau dies machen sich Zellen bestimmter Krebsarten zunutze. Sie senden Botenstoffe aus, die die Immunzellen daran hindern, die Krebszellen zu bekämpfen.

„Mit den neuen Immuncheckpoint-Inhibitoren können wir oft Rezeptoren auf den Immunzellen so besetzen, dass die Blockadeversuche der Tumorzellen wirkungslos bleiben“, erklärt Prof. Stenzl. „Die Immunabwehr wird oder bleibt aktiv und bekämpft den Krebs.“

Ziel der Wissenschaftler und Mediziner ist, bald Medikamente einzusetzen, die auch beim Harnblasenkrebs die Krankheit dauerhaft zurückdrängen können.
Im Rahmen von Studien werden diese und neue Immuncheckpoint-Inhibitoren und Verfahren mit dem Ziel untersucht, sie sowohl in Erstlinientherapien als auch vor einer großen Operation einzusetzen.

„In naher Zukunft werden diese Medikamente die Operation der Blase nicht ersetzen können“, betont Prof. Stenzl. „Aber das Ziel ist, Medikamente zur Hand zu haben, die die Therapie in vielen Fällen auf die Ausschabung mit der Elektroschlinge und Medikamentengabe danach oder davor reduziert.“ Er fordert Patienten auf, sich in Studienzentren vorzustellen, die es ermöglichen, diese Präparate bereits vor der Zulassung anzuwenden.

Patienten, bei denen eine Operation ansteht, deren Harnblasenkrebs metastasiert ist und bei denen eine Chemotherapie vorgesehen ist, können unter Umständen von einer Studienteilnahme profitieren. Unter dem Stichwort „Krebszentrum Urologie“ werden im Internet rasch Anlaufstellen gefunden. Auch die Selbsthilfegruppen können hierzu Auskünfte erteilen.


Prof. Dr. Arnulf Stenzl, Ärztlicher Direktor der Urologischen Universitätsklinik in Tübingen © Privat