Knochenmarkkrebs Mit modernen Medikamenten auf Erfolgskurs

Autor: Johanna Weber

Je nach Alter der Patienten gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten. © Kateryna_Kon – stock.adobe.com

Unermüdlich arbeitet die medizinische Forschung an neuen Behandlungsmethoden gegen Knochenmarkkrebs. Immer mehr Patienten besiegen so ihre Krankheit. Perspektive LEBEN fasst die wichtigsten Behandlungsansätze zusammen.

Ein „Multiples Myelom“ oder auch Morbus Kahler zu diagnostizieren, ist relativ schwierig, weil die Krankheit eher selten auftritt und die Symptome meist unspezifisch sind, etwa Müdigkeit, Rückenschmerzen oder Blutarmut.

Zwei Gruppen von Patienten

Nach der Diagnose lassen sich Patienten in zwei Gruppen oder Kategorien aufteilen: Die eine umfasst asymptomatische Erkrankte. Sie haben lediglich Eiweißveränderungen im Blut oder im Urin und werden in der Regel nicht behandelt. „Hier nutzen wir die sogenannte Watch-and-Wait-Strategie. Wir warten also ab und schauen, wie die Krankheit sich entwickelt, oder behandeln in Studien mit neuen Medikamenten“, sagt Professor Dr. Hartmut Goldschmidt. Der Experte ist Leiter der Sektion Multiples Myelom der Medizinischen Klinik Heidelberg und des Nationalen Centrums für Tumor­erkrankungen (NCT) Heidelberg. Für die Erforschung und Therapieoptimierung des Multiplen Myeloms erhielt er 2018 den Deutschen Krebspreis.

Die andere Gruppe beschreibt symptomatische Patienten. Bei ihnen kann das Myelom bereits den Knochen angegriffen, die Nierenfunktion verschlechtert, die Blutbildung beeinträchtigt oder eine Kalziumerhöhung im Blut induziert haben. „In der Regel muss dann schnell gehandelt werden. „Der Patient benötigt umgehend entsprechende Medikamente“, betont Prof. Goldschmidt.

Therapie je nach körperlichem Zustand

Grundsätzlich bespricht und plant der behandelnde Arzt die Therapie des symptomatischen Multiplen Myeloms mit dem Patienten gemeinsam. Die Behandlung ist unter anderem abhängig vom gesundheitlichen Allgemeinzustand und vom Alter des Erkrankten. Die Faustformel für die Behandlungsstrategie lautet: Je jünger und stabiler der Patient, desto intensiver kann er behandelt werden.

Multiples Myelom

Die auch als Morbus Kahler bezeichnete Krebserkrankung betrifft die Plasmazellen, eine spezielle Sorte von Blutzellen. Dabei verändern sich Plasmazellen im Knochenmark und vermehren sich unkontrolliert. In der Folge entstehen vielfache Zellhaufen im Knochenmark, wodurch die normale Bildung von Blutzellen verhindert wird. Dies zerstört den Knochen schließlich.

Bei symptomatischen Patienten unter 70 Jahren beginnt die Therapie meist mit Medikamenten, die das Multiple Myelom möglichst schnell und weit zurückdrängen sollen. Diese Therapie dauert ungefähr vier Monate. „Danach sammeln wir Blutstammzellen und führen eine hoch dosierte Therapie mit einem Zytostatikum namens Melphalan durch, gefolgt von einer anschließenden Blutstammzelltransplantation“, erklärt Prof. Goldschmidt und ergänzt: „Bei bis zu 85 % der Patienten kommt es so zu einer deutlichen Abschwächung der Symptome, auch Remission genannt. Diese kann über Jahre anhalten.“ Tritt die Erkrankung danach wieder auf, besteht die Möglichkeit, sie erneut mit Medikamenten, eventuell sogar mit einer zweiten hoch dosierten Therapie und nachfolgender Blutstammzelltransplantation zu behandeln, betont der Experte.

Mit modernen Medikamenten auf Erfolgskurs

Gemeinsames Ziel der Therapien ist es, möglichst alle im Körper verbliebenen Tumorzellen zu zerstören. Für junge Patienten ist die Hochdosistherapie in Kombination mit neuen Medikamenten die beste Wahl der Behandlung. Allerdings schädigt die intensive Behandlung nicht nur die Krebszellen, sondern zerstört auch das blutbildende System im Knochenmark. Deshalb werden vor Beginn der Hochdosistherapie Stammzellen aus dem Blut gesammelt und nach Abschluss der Behandlung wieder zurückgegeben. So kann sich das blutbildende System schnell erholen.

„Die heutzutage genutzten Medikamente zählen nicht mehr zu den klassischen Chemotherapeutika. Sie wirken deutlich spezifischer und wirkungsvoller. So stimulieren sie beispielsweise das Immunsystem zur Bekämpfung der Tumorzellen oder verhindern gezielt deren Wachstum“, erläutert Prof. Goldschmidt. Bei symptomatischen Patienten über 70 Jahre wird die Blutstammzelltransplantation nur in Ausnahmefällen durchgeführt, da sie den Körper zu sehr belastet. „Diese Patienten werden mit einer Kombination aus zwei oder drei Medikamenten behandelt“, so Prof. Goldschmidt. Die Therapie dauert mindestens sechs bis neun Monate. Eine Langzeittherapie wird angestrebt. Das Multiple Myelom soll damit maximal weit zurückgedrängt werden.

Weitere Therapien stehen in den Startlöchern

Die Prognosen konnten sich in den letzten Jahren insgesamt deutlich verbessern. Und zahlreiche neue und erfolgversprechende Therapien befinden sich darüber hinaus derzeit in der Entwicklung, gerade im Bereich der Immuntherapien. Im Fokus stehen insbesondere antikörperbasierte Behandlungsansätze, weitere Kombinationsstrategien sowie die ­CAR-T- Zell-Therapie, eine neuartige Immuntherapie auf Basis von gentechnologisch veränderten T-Zellen.

Prof. Dr. Hartmut Goldschmidt, Leiter der Sektion Multiples Myelom der Medizinischen Klinik Heidelberg und des Nationalen Centrums für Tumor­erkrankungen (NCT) Heidelberg © privat