Hyperthermie Mit gezielter Wärme die Behandlungserfolge steigern
Schon in den 70er und 80er Jahren forschten Wissenschaftler intensiv daran, Krebs mit Wärme oder gar Hitze zu bekämpfen. Trotzdem dauerte es noch Jahrzehnte, bis diese Methode ausreichend erforscht und erprobt war, um sie beim Menschen einsetzen zu können. Rasch stellten die Forscher fest, dass eine alleinige Temperaturerhöhung im Tumor, die sogenannte Hyperthermie, den Krebs nicht bekämpfen kann. Nach wie vor sind daher die Operation, die Chemo- und die Strahlentherapie die Standardverfahren bei der Krebsbehandlung. Die Hyperthermie wird allenfalls ergänzend, also supportiv eingesetzt und derzeit in Studien intensiv erforscht.
Ein starkes Team
Viele Studien belegen schon, dass die Strahlentherapie und die Chemotherapie in Verbindung mit der Hyperthermie oft sehr viel besser wirken. „Warum dies so ist, ist bisher nur unvollständig verstanden“, sagt Professor Dr. Lars Lindner, Leiter der Abteilung Hyperthermie am Klinikum der Universität München. Aufgrund der zunehmenden klinischen Erfolge wird die supportive Hyperthermie kontinuierlich weiter erforscht und immer häufiger eingesetzt.
Hyperthermie in Deutschland
Hyperthermie-Behandlungen nach den Qualitätsrichtlinien der Europäischen Gesellschaft für Hyperthermie (ESHO) werden in Deutschland fast ausschließlich in Universitätskliniken und großen Zentren durchgeführt. Nur diese verfügen nämlich über die sehr aufwendigen und modernen Apparaturen sowie das notwendige Fachwissen, die Hyperthermie begleitend und wirksam einzusetzen.
Empfiehlt ein Behandler die Hyperthermie als Ersatz zu einer klassischen Therapie mit Operation, Strahlen- oder Chemotherapie, ist höchste Vorsicht geboten. Auf jeden Fall sollte eine zweite Meinung in einem Krebszentrum eingeholt werden. Zudem gilt, dass die sogenannte kapazitive Hyperthermie in der Fachwelt nicht anerkannt ist, da ihr Mehrwert bisher nicht nachgewiesen werden konnte.
Im Fall der Chemotherapie gehen die Wissenschaftler derzeit davon aus, dass die höhere Temperatur zum einen die Durchblutung steigert und damit mehr Wirkstoffe in das kranke Gewebe gelangen können. Zum anderen werden die biochemischen Reaktionen im Tumor durch die höhere Temperatur beschleunigt. Beides steigert die Wirkung der Chemotherapie und damit den Kampf gegen den Krebs.
Im Fall der Strahlentherapie vermuten die Mediziner einen anderen Mechanismus. Die Strahlen schädigen die Erbinformationen in den Zellkernen. Sind die Schäden zu groß, stirbt die Zelle ab oder kann sich nicht mehr teilen. Gesunde Zellen können Teile dieser Schäden recht gut wieder reparieren. Krebszellen können dies sehr viel schlechter. Deshalb sprechen Krebszellen meist sehr gut auf die Strahlentherapie an.
Wird die Temperatur des Tumors erhöht, scheint die Reparatur der Strahlenschäden der Krebszellen nicht mehr so gut zu gelingen – die Strahlentherapie kann noch besser wirken. Dieser Mechanismus ist vermutlich auch bei der Kombination von Hyperthermie mit DNA-schädigenden Chemotherapeutika wesentlich beteiligt.
Wahrscheinlich spielt die Erwärmung des Tumorgewebes auch eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems, sodass gerade im Zusammenhang mit den neuen Immuntherapien bei Krebs die Hoffnung besteht, mit der Hyperthermie auch hier eine Verbesserung der bisherigen Therapien zu erzielen.
Fieber durch Mikrowellen
Die Herausforderung der Hyperthermie ist, den Tumor und seine Umgebung auf 40 bis 43 Grad Celsius zu erwärmen. „Das gelingt mithilfe von hochfrequenten elektromagnetischen Wellen sehr gut“, sagt Prof. Lindner. „Im Prinzip ist dies dasselbe wie bei einer Mikrowelle – allerdings sehr viel vorsichtiger und genauer.“ Der Tumor wird mit Mikrowellen-Antennen so fokussiert, dass die Wärme möglichst nur im Tumor und dessen Umgebung entsteht.
Studien haben ergeben, dass der Tumor und seine Umgebung eine Stunde lang die Temperatur von über 40 Grad halten muss, um die optimale Wirkung der Hyperthermie zu erreichen. „Dabei gehen wir sehr vorsichtig vor“, betont Prof. Lindner. „Wir erhöhen die Temperatur im Tumor nämlich so langsam, dass sie erst nach 30 Minuten erreicht wird.“ Das heißt, dass die Behandlung insgesamt ungefähr eineinhalb Stunden dauert.
Die Temperatur wird dabei nach Möglichkeit mit einer Sonde im Tumor oder in der Nähe des Tumors gemessen. „Ist das nicht möglich, verlassen wir uns auf unsere Erfahrungswerte aus den zahlreichen Behandlungen“, sagt Prof. Lindner.
Klein, aber groß genug
Ein ganz neuer Ansatz für die Hyperthermie wird von Prof. Lindner und seinem Team erforscht. Er schließt den Wirkstoff der Chemotherapien in extrem kleine Kügelchen aus Fett ein. Diese sind so groß und stabil, dass sie vom Blut gut transportiert werden können, ohne dass das Fett bei normaler Körpertemperatur schmelzen kann. Auf der anderen Seite sind die Kügelchen so klein, dass sie das Immunsystem nicht erkennt. Sie können also ungehindert durch den Körper transportiert werden. „Der Trick ist nun, dass wir mit der Hyperthermie den Tumor und seine Umgebung auf über 40 Grad erwärmen“, sagt Prof. Lindner. „Werden nun die Fettkügelchen mit dem Wirkstoff durch den Blutstrom in diese erwärmte Region eingespült, schmelzen die Kügelchen und der Wirkstoff kann die Zellen angreifen und zerstören.“
Die Wissenschaftler erhoffen sich mit dieser gezielten Vorgehensweise, dass die Wirkung der Chemotherapien auf den Tumor weiter gesteigert und zugleich die Nebenwirkungen auf den Körper insgesamt verringert werden können. „Wir stehen am Anfang der Entwicklung“, betont Prof. Lindner.