Eierstockkrebs Aus heiterem Himmel eiskalt erwischt

Autor: Annette Eichler/Bianca Lorenz

Annette Eichler liebt die Natur und macht ganz viel Kunst. © Annette Eichler

Annette Eichler war 43, als sie die Diagnose Eierstockkrebs bekam. Seitdem ist ihr ­Leben ein anderes, doch nicht unbedingt schlechteres. Die Endlichkeit immer vor Augen, ist ihre Geschichte dennoch kein Rührstück, sondern ein Vorbild an Dankbarkeit und ­Lebensfreunde.

Am 9. Februar 2018 – ein Tag nach Weiberfastnacht – wachte ich morgens auf und mein Bauch fühlte sich plötzlich komisch an. Irgendwie prall, voll, es drückte auf die Blase, es war eng, es war anders.

Es fühlte sich an, als würde mir etwas quersitzen, nicht rauskommen. Ich googelte „Luft im Bauch“ und machte Turnübungen – es half nicht. Dann bekam ich Krämpfe vom morgendlichen Kaffee.

Nachdem meine Hausärztin nichts fand, machte ich einen Termin bei der Gynäkologin. Die tastete mich ab und sagte gleich: „Da stimmt was nicht.“ Ohne einen Verdacht zu äußern, schickte sie mich ins Krankenhaus zur zeitnahen Abklärung.

Der Arzt dort machte einen Ultraschall, ein paar Messungen und sagte mir dann geradeheraus: „Sie haben Eierstockkrebs. Der Tumor ist etwa 12 mal 15 cm groß und liegt zwischen Darm und Gebärmutter. Das muss operiert werden.“ Das saß!

„Es ist ein Schock, aber keine Überraschung…“, brachte es eine Freundin lapidar auf den Punkt. Meine Eltern sind beide früh an Krebs gestorben – meine Mutter mit 56 an Brustkrebs, mein Vater mit 66 an Darmkrebs. Bei mir wurde eine BRCA-Mutation festgestellt, weshalb ich so früh erkrankt bin, denn normalerweise tritt Eierstockkrebs erst nach dem 60. Lebensjahr auf.

Ein komplizierter Eingriff

Es folgte eine achtstündige OP, bei der mittels Längsbauchschnitt beide Eierstöcke, Eileiter, die Gebärmutter, das große Bauchnetz und Teile des Bauchfells entfernt werden mussten, außerdem eine Menge Lymphknoten und ein Teil des Darms, der leider auch schon befallen war. Nach zwei Tagen im künstlichen Koma erwachte ich auf der Intensivstation, den Bauch von oben bis unten zugetackert, einen Plastikbeutel mit Ausscheidungen am rechten Unterbauch und an zahllose Kabel und Schläuche angeschlossen. Ein Alptraum!  Es folgten sechs Zyklen Chemo, eine Antikörpertherapie, die 15 Monate dauerte.

Eierstockkrebs wird oft erst sehr spät entdeckt, denn im Bauch ist viel Platz und er kann sich unbemerkt auf die umliegenden Organe ausbreiten. Das macht ihn so gefährlich. Die Operation ist beim Eierstockkrebs enorm wichtig, weshalb man unbedingt in ein zertifiziertes Zentrum gehen sollte, wo diese komplexe OP regelmäßig gemacht wird.

Tutorials, die Mut machen – kreative Ideen einfach umsetzen

Annette Eichler ist von Beruf Grafikdesignerin und möchte anderen Betroffenen helfen, mit ihrer Krebserkrankung neuen Mut zu schöpfen. Sie bietet Tutorials an, wie man aus Packungsbeilagen von Medikamenten kleine Kunstwerke schaffen kann. Mehr Infos darüber und was der Krebsheldin aus Köln noch am Herzen liegt, gibt es auf ihrer Website annette-eichler.de und bei 
Instagram unter @love.peace.cancer

Im September 2019 wurde das Stoma zurückverlegt, im Dezember entdeckte man dann einige Narbenbrüche, was leider oft passiert nach dem großen Bauchschnitt. Dann stellte sich heraus, dass die Tumormarker wieder anstiegen. Da ich keine Beschwerden hatte, beschlossen wir erstmal abzuwarten.

Dann kam Corona, und ich fragte mich: Was ist, wenn ich jetzt eine Chemo machen muss?

Im Mai 2020 bekam ich starke Bauchkrämpfe und musste notfallmäßig ins Krankenhaus. An der Stelle, wo vorher das Stoma war, hatten sich viele Verwachsungen gebildet – auch das passiert oft nach einer Bauch-OP. So war ein Engpass entstanden und eine Darmschlinge hatte sich verdreht. Ich bekam erneut ein Stoma.

Mittlerweile war der Krebs im ganzen Bauchraum verteilt und viel zu verstreut, um ihn zu operieren. Die Chemo im Anschluss hat ihn aber komplett beseitigt, was alle überrascht hat. Im April 2022 stellte man das zweite Rezidiv fest und aktuell mache ich wieder eine Chemo. 

Akzeptanz ist der Schlüssel

Als ich meine Diagnose bekam, war mir sofort klar, ich werde nicht „gegen den Krebs kämpfen“. Ich habe innerlich die weiße Fahne gehisst und gesagt: „Ich leiste keinen Widerstand. Ich weiß, womit ich es zu tun habe. Wenn man sich den Krebs zum Gegner macht, wird er übermächtig.“

Das heißt nicht, dass ich nicht alles mache, was medizinisch sinnvoll ist, aber mir ist bewusst, dass der Krebs kein Feind ist, den ich „besiegen“ kann. Ich habe meine Eltern beide durch den Krebs begleitet – meine Mutter hat bis zur letzten Minute verzweifelt gegen ihn angekämpft und nicht wahrhaben wollen, was passiert – das war furchtbar. Mein Vater hat sehr schnell die Situation akzeptiert und in den letzten Wochen seines Lebens konnte man zusehen, wie er immer gelöster und strahlender wurde und letztlich ist er in Frieden gegangen.

Ich glaube, das ist der eigentliche Punkt: Dass man seinen Frieden macht, mit dem was einem im Leben zustößt. Wir haben keinen Einfluss darauf, was uns passiert, aber es liegt an uns, wie wir damit umgehen. Widerstand kostet so viel Kraft. Zu begreifen, dass es nicht in meiner Macht liegt, wie und wann ich hier abtrete, hat mich total entspannt und geerdet. Ich vertraue dem Leben und bin mir sicher, dass ich hier die Zeit habe, die ich brauche.

Mein Leben ist superschön, ich bin Rentnerin, mache ganz viel Kunst und Dinge, die mir Spaß machen, pflanze Blumen und versuche einen kleinen Garten Eden auf unserem Balkon zu zaubern.

Wem es mal richtig elend ging, der wird regelrecht euphorisch, wenn es ihm wieder gut geht. Das, was man vorher ganz normal und selbstverständlich fand, erfüllt einen mit großer Dankbarkeit. Mittlerweile denke ich, der Krebs ist ein Beschleuniger von Erfahrungen und von Lernen. Ich habe in dieser kurzen Zeit durch die Erkrankung so viel gelernt, dafür brauchen andere mehrere Leben.